Unterfunktion – häufig unerkannt

Die Schilddrüse gehört zu den zentralen Schaltstellen im menschlichen Körper. Die Hormone, die sie produziert, sind für viele Stoffwechselprozesse verantwortlich. Ein Zuviel oder Zuwenig an Schilddrüsenhormonen kann den ganzen Körper und auch die Seele aus dem Gleichgewicht bringen.

Wenn Ihr Arzt bei Ihnen eine Hypothyreose festgestellt hat, produziert Ihre Schilddrüse zu wenig Hormone

Was heißt Hypothyreose?

Hypothyreose bedeutet „verminderte Schilddrüsenaktivität“ oder „Unterfunktion der Schilddrüse“. Dies ist ein Zustand, bei dem die Schilddrüse nicht mehr genügend Hormone produziert, um die Körperfunktionen reibungslos aufrechtzuerhalten. Die Auswirkungen einer Hypothyreose auf den Körper sehr vielfältig, angefangen bei Hirn- und Herzfunktionen, Verdauung, Psyche und Persönlichkeit und vielem mehr.

Die Produktion der Schilddrüsenhormone T3 und T4 wird über ein Hormon der Hirnanhangsdrüse (Hypophyse) gesteuert, das Thyreoidea-stimulierende Hormon, kurz TSH. Bei einer vollständig ausgeprägten Hypothyreose ist die Konzentration des Hormons TSH erhöht und die Konzentration der Schilddrüsenhormone T3 und T4 verringert.
Bei der beginnenden oder „subklinischen“ Unterfunktion ist nur der TSH-Wert erhöht, die Werte für T3 und T4 liegen noch in Normalbereich. T3 und T4 werden größtenteils an Eiweißen gebunden im Blut transportiert. Um die Stoffwechselsituation besser beurteilen zu können, misst der Arzt die Menge an freien Schilddrüsenhormonen, also freies T3 (fT3) und freies T4 (fT4), anhand einer Blutuntersuchung.

Wie häufig ist eine Hypothyreose?

Weltweit ist die Hypothyreose eine relativ häufige Erkrankung, deren Vorkommen bei 1– 3 % aller Menschen geschätzt wird. Noch häufiger ist die subklinische Hypothyreose, bei der die Patienten oft noch gar keine Beschwerden verspüren, im Blut aber schon Veränderungen nachweisbar sind. Schätzungsweise sind 6 – 10 % der Bevölkerung davon betroffen.

Frauen und ältere Menschen haben ein erhöhtes Risiko, an einer Hypothyreose zu erkranken. Bei ca. 1 von 4.000 Neugeborenen wird eine angeborene Hypothyreose festgestellt, die unbehandelt zu Kleinwuchs und geistiger Behinderung führt (Kretinismus).

Ursachen einer Unterfunktion:

1. Hashimoto-Thyreoiditis: Dieser Erkrankung liegt eine Störung des Immunsystems zu Grunde. Antikörper zerstören die Schilddrüsenzellen, sodass diese nicht mehr ausreichenden Hormone bilden können.

2. Die Behandlung einer Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose) mit antithyreoidalen (Schilddrüse-hemmenden) Medikamenten oder einer Radiojodtherapie kann zu einer Unterfunktion der Schilddrüse führen.

3. Die Operation eines Schilddrüsenkarzinoms oder einer Struma (Kropf) kann durch Entfernung von Schilddrüsengewebe eine Hypothyreose verursachen.

4. Post-partum-Thyreoiditis: Dies ist eine Entzündung der Schilddrüse, die bei Frauen nach einer Schwangerschaft und Geburt auftritt, wobei sich sowohl eine Unterfunktion (Hypothyreose) als auch eine Überfunktion (Hyperthyreose) entwickeln kann.

5. Angeborene Störung: In sehr seltenen Fällen werden Kinder ohne bzw. mit einer nur teilweise entwickelten Schilddrüse geboren. Bei einigen Kindern kann die Lage der Schilddrüse verändert sein oder die Zellen der Schilddrüse arbeiten nicht korrekt, sodass nicht genügend Hormone gebildet werden. Die Hormonproduktion kann in diesen Fällen entweder von Geburt an eingeschränkt sein oder im Verlauf des Wachstums deutlich zurückgehen, sodass im Jugend- bzw. frühen Erwachsenenalter eine Hypothyreose entsteht. Die routinemäßige Untersuchung aller neugeborenen Babys auf eine Schilddrüsenunterfunktion gehört heute zur Vorsorge nach der Geburt.

6. Jodmangel: Die Schilddrüse benötigt Jodid, um Hormone bilden zu können. Bei extremem Jodmangel, der in unseren Breiten zum Glück kaum mehr auftritt, kann sich ebenfalls eine Hypothyreose entwickeln.

Die häufigsten Zeichen einer Hypothyreose:

Die Anzeichen bzw. subjektiven Beschwerden einer Unterfunktion der Schilddrüse können individuell sehr verschieden und unterschiedlich stark ausgeprägt sein. Es gibt also kein einzelnes, ganz eindeutiges Symptom für die Erkrankung, sondern eine Vielzahl an Beschwerden.

Überblick über Symptome und Zeichen einer Schilddrüsenunterfunktion:

  • Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Konzentrationsstörungen
  • Trockene, kühle Haut, blass und gelblich
  • Aufgedunsenes Gesicht, Hände und Füße
  • Struppiges Haar, Haarausfall, brüchige Nägel
  • Heisere Stimme, langsame Sprechweise
  • Verdickung der Zunge
  • Vergrößerte Schilddrüse
  • Gewichtszunahme
  • Langsame Reflexe
  • Kälteintoleranz, Frieren
  • Depression
  • Erhöhtes Schlafbedürfnis
  • Verstopfung
  • Muskelsteife und Muskelschmerzen
  • Zyklusstörungen
  • Verlangsamter Herzschlag, Herzschwäche

Wie wird eine Unterfunktion diagnostiziert?

Die Diagnose kann schnell und mit großer Sicherheit gestellt werden. Zunächst wird der Arzt Sie nach vorangegangenen Erkrankungen und aktuellen Beschwerden befragen. Außerdem ist wichtig, ob bereits Schilddrüsenerkrankungen in der Familie bekannt sind. Danach wird der TSH-Wert bestimmt. Ist dieser erhöht, liegt eine Hypothyreose vor. Danach folgen weitere Untersuchungen, wie die Bestimmung der feien Hormone und der Antikörper. Ist der TSH-Wert in Ordnung liegt in der Regel keine Unterfunktion vor.

Wie wird die Hypothyreose behandelt?

Die Behandlung der manifesten und subklinischen Hypothyreose geschieht durch Einnahme von Schilddrüsenhormonen, in der Regel durch T4 (Levothyroxin). Das als Tablette zugeführte Hormon entspricht bezüglich Aufbau und Funktion dem körpereigenen Hormon. Abhängig von Ihrem Körpergewicht, Ihrer individuellen Stoffwechselsituation und der noch vorhandenen „Rest“-Schilddrüsenaktivität wählt der Arzt die für Sie passende Hormondosis aus. Normalerweise erfordert die Hypothyreose eine lebenslange Einnahme von Schilddrüsenhormonen. Dies ist der Fall, wenn bei Ihnen eine dauerhafte Hypothyreose vorliegt, z. B. bei einer sog. Hashimoto-Thyreoiditis, oder wenn die Schilddrüsenunterfunktion durch eine Operation verursacht wurde. Demgegenüber gibt es auch vorübergehende Schilddrüsenunterfunktionen, beispielweise bei einer viralen Schilddrüsenentzündung oder einer Schilddrüsenentzündung nach Entbindung. Die Therapie mit Schilddrüsenhormonen wird dann nur für einen kurzen Zeitraum erforderlich (Wochen bis Monate), bis Ihre Schilddrüse sich wieder erholt hat und ihre volle Funktion wieder aufnimmt.

Hypothyreose – Kontrolluntersuchungen und Dosisanpassungen

Die richtige Einstellung der Dosierung von Schilddrüsenhormonen erfolgt normalerweise innerhalb weniger Wochen bis zu einigen Monaten. Ihr Arzt richtet sich bei der Dosierung nach Ihrem TSH-Spiegel. In seltenen Fällen kann es bis zu einem Jahr dauern, bis sich Ihre Schilddrüsenfunktion stabilisiert hat und eine normale sog. euthyreote Stoffwechsellage erreicht ist.

Meist beginnt der Arzt mit einer niedrigeren Dosis, um dann langsam bis zur optimalen Dosis zu steigern. Diese hängt von vielen Faktoren ab, z. B. vom Alter, Körpergewicht, Schilddrüsenrestgewebe und der individuellen Verstoffwechselung. Die genaue Abstimmung der Dosis ist notwendig für Ihr Wohlbefinden und um eine Über- oder auch eine Unterdosierung zu vermeiden. Regelmäßige Kontrolluntersuchungen sind wichtig, um eine dauerhaft gute Einstellung zu gewährleisten. Mehr als 95 % der Patienten mit Unterfunktion können zufriedenstellend mit einer Levothyroxin-Monotherapie (T4) eingestellt werden. In manchen Fällen ist es sinnvoll, ein Kombinationspräparat aus Levothyroxin und Jod einzunehmen. Einige wenige Patienten fühlen sich erst richtig wohl, wenn sie zusätzlich eine kleine Menge Trijodthyronin (T3) erhalten. Zur Feineinstellung der Dosis werden Ihr TSH-Spiegelherangezogen.

Die richtige Einnahme

Die Einnahme der Hormontablette sollte morgens eine halbe Stunde vor dem Frühstück erfolgen, da Nahrung die Hormonaufnahme ins Blut behindern kann. Allerdings müssen Sie nach der Tabletteneinnahme nicht zwingenderweise frühstücken. Da die Wirkung von Levothyroxin im Körper sehr lange anhält, passiert nichts, falls Sie einmal die Einnahme Ihrer Tablette vergessen. Auch falls Sie eine zu geringe Dosis eingenommen haben, holen Sie die versäumte Dosis nicht nach, sondern verbleiben im festgelegten Rhythmus. Aber Sie sollten auf keinen Fall mehrere Dosen auslassen.

In Ausnahmefällen kann eine abendliche Gabe sinnvoll sein.

Wenn Ihre Schilddrüsenunterfunktion gut behandelt ist, können Sie ein ganz normales Leben führen, auch Ihre Lebenserwartung ist unverändert.

Bevor Sie mit einer Behandlung mit Schilddrüsenhormonen beginnen, sprechen Sie bitte mit Ihrem Arzt über bestehende Vorerkrankungen. Er sollte auch über alle Medikamente informiert sein, die Sie zu sich nehmen. Das gilt insbesondere für Medikamente, die die Blutgerinnung hemmen. Wenn Sie Diabetiker sind, kann es sein, dass Sie Ihre Insulindosierung anpassen müssen. Schilddrüsenhormone regen den Kreislauf an und erhöhen den Blutzuckerspiegel. Deshalb sollten Sie zu Beginn der Hormonbehandlung den Blutzuckerspiegel häufiger kontrollieren. Auch hochdosierte Calcium- und Eisenpräparate und magensäurebindende Medikamente können bei gleichzeitiger Einnahme mit Schilddrüsenhormonen zu einer Wirkungsabschwächung des Präparates führen. Bitte nehmen Sie Ihre Calcium- und Eisenpräparate sowie magensäurebindende Medikamente zeitversetzt ein (mind. 2 Stunden Abstand). Ähnliches gilt für Mittel zur Senkung hoher Blutfette oder erhöhter Kaliumkonzentrationen im Blut. Hier sollte der Einnahmeabstand 4 – 5 Stunden betragen.

Bei Einnahme östrogenhaltiger Medikamente kann der Bedarf an Schilddrüsenhormonen steigen. Auch in der Schwangerschaft muss die Schilddrüsenhormoneinnahme erhöht werden. Es gibt noch weitere Medikamente, die die Wirkung der Schilddrüsenhormone beeinflussen können. Lesen Sie in jedem Fall die Gebrauchsinformation Ihres verordneten Schilddrüsenpräparates durch und fragen Sie Ihren Arzt, wenn Sie unsicher sind.

Kontrolluntersuchungen

Nehmen Sie Schilddrüsenhormone zur Behandlung einer Hypothyreose ein, reichen bei Beschwerdefreiheit meist Kontrolluntersuchungen im Abstand von 6 – 12 Monaten aus. Aber auch nach einer Schilddrüsenoperation oder Radiojodtherapiesollte in regelmäßigen Abständen eine Kontrolle erfolgen – ebenso bei einer Hashimoto-Thyreoiditis.
Falls Sie unter einer bestehenden Schilddrüsentherapie weitere Medikamente (z. B. andere Hormone, Calcium usw.) verordnet bekommen, informieren Sie die Ärzte, damit ggf. die Schilddrüsenhormondosierung erneut überprüft werden kann.

Literatur beim Verfasser